Forschungs­pro­jekte

Als wissen­schaftliche Mitar­bei­ter des Insti­tuts für Kultur­for­schung Grau­bün­den (ikg) bear­bei­ten Mirella Carbone und Joachim Jung zurzeit folgende Forschungsprojekte:

Schmug­gel und Flücht­lings­be­we­gun­gen an den Gren­zen zwischen Engadin/Bergell und der Provinz Sondrio

 

Die Geschichte des Schmug­gels zwischen dem Enga­din und Bergell und der Provinz Sondrio beginnt mit Napo­le­ons Neuord­nung im Zug der Cisal­pi­ni­schen Repu­blik. Die ehema­li­gen Unter­ta­nen­ge­biete der Drei Bünde wurden mit einer zentra­lis­ti­schen Regie­rung konfron­tiert, die sogleich Gren­zen zog und diese streng kontrol­lie­ren liess. Wege, die jahr­hun­der­te­lang frei benutzt worden waren, wurden durch­schnit­ten. In der Folge entwi­ckelte sich der Schmug­gel, der für die Berg­be­völ­ke­rung auf beiden Seiten der Gren­zen zu einer will­kom­me­nen Alter­na­tive zur harten Land- und Vieh­wirt­schaft und zur Emigra­tion wurde. Das Forschungs­pro­jekt konzen­triert sich auf die Zeit­spanne zwischen der Welt­wirt­schafts­krise in den frühen 1930er Jahren und dem Ende der Lebens­mit­tel­ra­tio­nie­rung in der Schweiz (1948).

Ein beson­de­res Augen­merk rich­ten die Forschen­den auf die Zeit des italie­ni­schen Faschis­mus und des Zwei­ten Welt­kriegs, als neben Waren aller Art auch Menschen – poli­tisch oder rassen­ideo­lo­gisch Verfolgte, Deser­teure, Dienst­ver­wei­ge­rer – mit Hilfe der Schmugg­ler in die Schweiz zu gelan­gen versuchten.

Mirella Carbone und Joachim Jung fanden im Bundes­ar­chiv in Bern 151 Dossiers von haupt­säch­lich zivi­len Flücht­lin­gen (es fehlen also Deser­teure, entkom­mene Kriegs­ge­fan­gene und Parti­sa­nen), die aus dem Valchia­venna, Val di Mello, Val Codera oder Valma­lenco ins Bergell oder ins Fextal flohen. Bisher war nicht bekannt, dass diese beiden Südtä­ler Grau­bün­dens während des Zwei­ten Welt­kriegs eine bedeu­tende Rolle für die italie­ni­schen Flücht­linge spiel­ten. Durch weitere Nach­for­schun­gen konn­ten acht noch lebende Flücht­linge ausfin­dig gemacht werden, die als Kinder oder Jugend­li­che mit ihren Fami­lien die Grenze zwischen Villa di Chia­venna und Casta­segna über­quert haben und dort aufge­nom­men worden sind. Ihre Aussa­gen ermög­li­chen es, persön­li­che Geschich­ten von Flucht und Inter­nie­rung zu rekonstruieren.

Ziele

Das aus den Inter­views und den Archiv-Recher­chen gewon­nene Mate­rial wird in einer Daten­bank des Insti­tuts für Kultur­for­schung Grau­bün­den gesam­melt und even­tu­ell öffent­lich zugäng­lich gemacht. Die Ergeb­nisse der Forschung werden in einer Publi­ka­tion zusam­men­ge­fasst. Erschei­nung: Anfang Jahr 2023.

 

Abge­schlos­sene Forschungsprojekte

Spazier­gänge durch Nietz­sches Sils Maria

Sils Maria im Ober­enga­din war für Fried­rich Nietz­sche eine «perla perlis­sima». Hier verbrachte er zwischen 1881 und 1888 sieben Sommer. Seit­dem suchen Dich­ter, Musi­ker, Künst­ler und unzäh­lige andere Besu­cher Jahr für Jahr Ruhe und Erho­lung auf den Spuren des Philo­so­phen. Welches aber waren Nietz­sches Lieb­lings­spa­zier­gänge? Was zog Hermann Hesse immer wieder nach Sils? Wo wohn­ten und was mach­ten Anne­ma­rie Schwar­zen­bach, die Fami­lie Mann, Marc Chagall, Fried­rich Dürren­matt, Max Frisch, Rainer Maria Rilke, Kurt Tuchol­sky, Marcel Proust, Anne Frank, Paul Celan, Clau­dio Abbado und so viele mehr an diesem Ort? 

Auf sechs Spazier­gän­gen gelei­tet Paul Raabe seine Lese­rin­nen und Leser zu den schöns­ten Plät­zen, zu geschichts- und geschich­ten­träch­ti­gen Häusern und Herber­gen in Sils und dessen Umge­bung. Beglei­tet von der lite­ra­ri­schen Stim­men­viel­falt ihrer zahl­rei­chen berühm­ten Gäste erschliesst sich dem Spazier­gän­ger Nietz­sches «lieb­lichs­ter Winkel der Welt» als eine nicht nur wunder­schöne Natur‑, sondern auch lite­ra­risch reiche (Kultur-)Landschaft.

Das sehr erfolg­rei­che Buch ist in einer neuen Auflage 2019 erschienen:

Wall­stein Verlag, Göttingen
Erschei­nungs­da­tum: 13.05.2019
ISBN Nr. 978–3‑8353–1888‑5
Preis CHF 20.05
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2010–2012 Forschungs­ar­beit über den aus dem Bergell stam­men den naiven Maler Samuele Giova­noli (1877–1941)

Giova­noli, der sein Leben im Fextal (Ober­enga­din) verbrachte und verkannt starb, ist heute über die kanto­na­len Gren­zen hinaus bekannt und für seine origi­nelle Kunst geschätzt. Das Resul­tat dieser Forschungs­ar­beit ist eine Mono­gra­phie über Giova­noli mit dem ersten Gesamt­ver­zeich­nis aller Werke des Künst­lers, die bis heute gefun­den werden konnten:

Publi­ka­tion: Mirella Carbone: «Samuele Giova­noli (1877–1941)». — Hrsg. vom Insti­tut für Kultur­for­schung Grau­bün­den (ikg). — Zürich: Edition Stephan Witschi, 2013. — ISBN: 978–3–9523619–6–2.

Ausstel­lung: Anläss­lich dieser Publi­ka­tion fand vom 18. Dezem­ber 2012 bis zum 7. April 2013 im Silser Robbi Museum eine Sonder­aus­stel­lung statt, mit zum Teil noch nie öffent­lich gezeig­ten Werken Giovanolis.

Forschung 3 A. Schwarzenbach Aktenband

2010 Publi­ka­tion – Anne­ma­rie Schwar­zen­bach. Werk, Wirkung, Kontext

Akten der Tagung in Sils/Engadin vom 16. bis 19. Okto­ber 2008. Hrsg. Mirella Carbone; mit einer Schwar­zen­bach-Biblio­gra­fie 2005–2009. Biele­feld: Aisthe­sis Verlag, 2010.

Diese Publi­ka­tion des Insti­tuts für Kultur­for­schung Grau­bün­den enthält die Beiträge einer inter­na­tio­na­len Tagung, die das ikg und das Kultur­büro KUBUS im Herbst 2008, anläss­lich von Anne­ma­rie Schwar­zen­bachs 100. Geburts­tag, in Sils durch­ge­führt haben.

Für den Tagungs­band verfasste Prof. Walter Fähn­ders eine Biblio­gra­phie. Sie berück­sich­tigt die künst­le­ri­schen Adap­tio­nen von Schwar­zen­bachs Leben und Werk sowie die Forschungs­li­te­ra­tur zwischen 2005 und 2009 und bildet damit die Fort­set­zung einer ersten Biblio­gra­fie, die Fähn­ders in der Aufsatz­samm­lung «Anne­ma­rie Schwar­zen­bach. Analy­sen und Erst­dru­cke» (Hg. W. Fähnders/S. Rohlf. – Biele­feld: Aisthe­sis, 2005) publi­ziert hatte.

Eine Biblio­gra­phie ab Januar 2010 ist nun online einseh­bar und wird regel­mäs­sig aktua­li­siert. Down­load

Siehe auch: https://kulturforschung.ch/institut/projekte